Donnerstag, 30. Oktober 2008

Bereit

«Alles muss im Kopf beginnen: Ich bin bereit, älter zu werden.»
Adolf Ogi, Altbundesrat in einem Interview des Tertianums

Mittwoch, 20. August 2008

Vorsicht

Vorsicht ist die Einstellung, die das Leben sicher macht, aber selten glücklich.
(Samuel Johnson, gefunden im Blog mkellenberger.ch)

Donnerstag, 14. August 2008

Apokalyptiker und Integrierte

Umberto Eco hat einmal die Kulturkritiker in zwei Sorten unterteilt: Apokalyptiker und Integrierte. Die einen sehzen furchtbar schwarz, die andern wiegeln ab und finden, eigentlich fügten sich die gesellschaftlichen Entwicklungen doch ganz passabel ineinander. Diese beiden Haltungen begegnen uns auch hier [bei den Demografen].

Die Apokalyptiker sagen uns tiefe soziale Spaltung als Folge einer überalterten und schrumpfenden Bevölkerung voraus. Junge stünden gegen Alte, Kinderlose gegen Eltern, Bildungseliten gegen Schlechtqualifizierte, Alteingesessene gegen Migranten. Der satirischen Fantasie eröffnet sich ein weites Feld. ...

Anders die unaufgeregte, die «funktionale» Deutung. Sie kocht das demografische Drama auf kleiner Flamme. Geburtenschwund und Altenvermehrung gelten ihr als systemkonforme Entwicklung. Der Frankfurter Soziologe Karl Otto Hondrich nannte den Geburtenrückgang einen Grücksfall für unsere moderne Gesellschaft. ... Bei Karl Otto Hondrich ist der Krieg der Generationen abgesagt, und der wirtschaftliche Zusammenbruch findet nicht statt.

aus: Günther, Joachim, Die Altersfalle - schon zugeschnappt, NZZ vom 7.4.2008, S. 23
Der vollständige Artikel kann im NZZ-Onlinearchiv gegen Bezahlung bezogen werden (Suche z.B. nach dem Begriff «Altersfalle»).

Freitag, 25. Juli 2008

Die durch die höhere Lebenserwartung verlängerte Altersphase und die damit gewonnen Jahre sidn ein Erfolg des medizinischen und gesellschaftlichen Fortschritts. An das Erwerbsleben schliesst sich heute der Ruhestand als ein eigener längerer Lebensabschnitt an, der durchaus von einer hohen Lebensqualität und Zufriedenheit gekennzeichnet ist. Sozialwissenschaftliche Altersstudien belegen, dass die überwiegende Mehrheit der Seniorinnen und Senioren bis ins hohe Alter aktiv, zufrieden und gesund sind und auch die Unterstützungsleistungen eher von der älteren zur jüngeren Generation gehen, als umgekehrt.

Quelle: Konzept für eine Kontakt- und Anlaufstelle im Leimental, Institut für Sozialplanung und Stadtentwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz, Urs Kaegi, Erika Götz, Peter Höfflin, Eva Tov, S. 7f

Freitag, 4. Juli 2008

Wandel

Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Schutzmauern, die Anderen bauen Windmühlen. (Chinesische Weisheit)

Sonntag, 29. Juni 2008

Rebellen der Zukunft

Die Seniorinnen und Senioren sind die Rebellen der Zukunft.

Höpflinger, François, in der Fachzeitschrift Curaviva, 4/2008, S. 37

Donnerstag, 26. Juni 2008

Fortschritliche Lebensqualität

Die so genannten neuen Alten haben andere Bedürfnisse als ihre Vorgänger. Deshalb legen wir [im Alterszentrum Am Bachgraben] neben zukunftsorienterter Pflege und Betreuung das Hauptgewicht vor allem auf zeigemässen Komfort, Respekt und Achtung gegenüber unseren Bewohnerinnen und Bewohnern, auf Wahrung ihrer Individualität und auf einebestmöglich geschützte Privatsphäre. Das verstehen wir unter fortschrittlicher Lebensqualität.

Jenny, Urs, Direktor des Alterszentrums Am Bachgraben in Allschwil, in: Ubrigens, Ausgabe 17, Mai/Juni 2008, S. 2

Sonntag, 22. Juni 2008

Erfahrung und Erneuerung

Der Erwerb von Erfahrungswissen ist eine Frage der Zeit. Mit der Arbeitserfahrung nimmt dieses in der Regel zu. Es ist somit bei Älteren meist grösser als bei Jüngeren. In Zukunft wird der Anteil der Mitarbeitenden mit einem Schatz an Erfahrungswissen deshalb auf Grund der demografischen Entwicklung zu- und der Anteil der Jüngen mit dem neuesten theoretischen Wissen abnehmen. Er Erfolgsfaktor Nummer eins für die Unternehmen wird deshalb sein, die grösstmöglichen Synergien zwischen diesen Arten des Wissens zu erlangen.

Winkler, Ruedi, Der Wert des Erfahrungswissens, in: Zeitschrift Tertianum

Mittwoch, 18. Juni 2008

Unserer alteingesessenen Bevölkerung wünschen wir mehr Kinder. Bei den Migranten argwöhnen wir hingegen eine zu hohe Fertilität. Die Unterscheidung nach würdigen und unwürdigen Elter, die hier zwischen Fremden und Autochthonen getroffen wird, wiederholt sich auf bildungssoziologischer Ebene. Laut ist die Klage über kinderlose Akademikerinnen, womit zugleich dargetan wird, dass es in der Unterschicht jüngere und kinderreichere Frauen gibt.
Auch wenn es nur wenige so deutlich aussprechen - der Eindruck entsteht: Nachwuchs bekommen in unseren breiten hauptsächlich «die Falschen».

aus: Günther, Joachim, Die Altersfalle - schon zugeschnappt, NZZ vom 7.4.2008, S. 23
Der vollständige Artikel kann im NZZ-Onlinearchiv gegen Bezahlung bezogen werden (Suche z.B. nach dem Begriff «Altersfalle»).

Montag, 16. Juni 2008

Von der Statistik zur Moralpredigt

Die Bevölkerungswissenschaft will uns Mores lehren. ... Hinter den scheinbar neutralen demographischen Statistiken steckt eine Idee, wie eine Bevölkerung am besten zusammengesetzt sein sollte. ... Jede numerische Grösse ist zugleich eine normative Grösse. Sie enthält eine Massregel, wie wir leben sollen. Mühelos geht die Demografie vom Datensammeln zur Moralpredigt über.

aus: Günther, Joachim, Die Altersfalle - Schon zugeschnappt?, NZZ vom 7.4.2008. S. 23
Der vollständige Artikel kann im NZZ-Onlinearchiv gegen Bezahlung bezogen werden (Suche z.B. nach dem Begriff «Altersfalle»).

Mittwoch, 28. Mai 2008

Wert

«Was Menschen und Dinge wert sind, kann man erst beurteilen, wenn sie alt geworden.»
Marie von Ebner-Eschenbach

Montag, 5. Mai 2008

Sich immerfort erneuern

«Bin ich darum achtzig Jahre alt geworden, dass ich immer dasselbe denken soll? Ich strebe vielmehr täglich etwas anderes, Neues zu denken, um nicht langweilig zu werden. man muss sich immerfort verändern, erneuern, verjüngen ...»
Johann Wolfgang von Goethe

Donnerstag, 3. April 2008

Bewundern und lieben

«Ich habe immer geglaubt, mit achtzig wäre man sehr alt, aber jetzt bin ich anderer Ansicht. Es gibt Zeiten, in denen ich mich wie ein Junge fühle. Solange man imstande ist, zu bewundern und zu lieben, so lange ist man jung. Und es gibt so viel zu bewundern und zu lieben.»
Pablo Casals

Montag, 31. März 2008

Dabei

«So schönes Wetter - und ich noch dabei!»
Wilhelm Raabe

Samstag, 29. März 2008

Eine herrliche Sache

«Alt sein ist eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heisst.»
Martin Buber

Mittwoch, 19. März 2008

Klarheit

«Altern heisst, sich über sich selbst klar werden und sich beschränken.»
Simone de Beauvoir

Sonntag, 16. März 2008

Entglitten

Man fährt dich zum Klo, sagt Haller in die Richtung, in die Helen weggestossen wird. Was du nicht mehr selber kannst, musst du mit dir geschehen lassen, magst es inzwischen auch. Du hast dich daran gewöhnt - die an die neuen Seifenspender, die flüssige Seife. Die andere ist dir entglitten, ist dir im Laufe der Jahre immer häufiger entschlüpft. So ist es: Die Seifen sind glitschiger als früher, die Stühle härter, das Licht greller. Und du brauchst immer länger, um zu merken, dass der Zahnpastatubendeckel nicht auf die Venensalbentube passt. An die neuen Milchtüten musst du dich nicht mehr gewöhnen. Du wüsstest nicht, wie sie aufzuschneiden, aufzustechen, aufzubeissen sind, und du bist froh, dass andere es wissen.

Aus: Schubiger, Jürg, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 66

Donnerstag, 13. März 2008

Keine Uebung mehr

«Verdrängt wird nicht nur die Tatsache, dass wir eines Tages nicht mehr da sind, gefürchtet wird vor allem die Hilflosigkeit und Abhängigkeit, die häufig dem Sterben vorangeht. Nur nicht den anderen zur Last fallen, nur nicht auf andere angewiesen sein! "Schrecklich, wenn man diese Existenzen in den Pflegeheimen sieht, so ausgelöscht!" Wir haben keine Uebung im Lesen dieser Gesichter, in der Erfahrung von Menschen, deren Leben verlöscht.»

Judith Giovanelli-Blocher, Ars moriendi oder die Emanzipation des Todes, in: Tertianum - die Zeitschrift für Generationen, Nr. 41, September 2007, S. 34/35

Dienstag, 26. Februar 2008

Das Haus

Man bewohnt ein Haus, sagt Haller zu sich selbst, in dem man sich nicht auskennt. Ein gelungener Gedanke: Haller nickt ihm zu. Man bewohnt ein Haus, in dem das Licht sich mit den Jahren verdüstert. Die Gänge verbiegen sich, die Treppen werden steiler, Zimmer entstehen, wo vorher Abstellräume oder Gänge waren oder der Innenhof. Die neuen Zimmer sind vielleicht nicht einmal neu, sind vielleicht nur unbeachtet gebliebene alte. Daneben gibt es andere Zimmer, viele, vermutlich ganze Zimmerfluchten, die verschwinden. Im Gefühl des grenzenlosen Verlustes überschätzt man das Haus, seine ehemalige Weitläufigkeit. Als wäre der tatsächliche Umbau und Abbau nicht hart genug.

Aus: Schubiger, Jürg, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 48

Mittwoch, 6. Februar 2008

Schätze

«Alte Menschen sind wie Museen: nicht auf die Fassade kommt es an, sondern auf die Schätze im Innern.»
Jean-Michel Moreau

Montag, 4. Februar 2008

Angemessen

«Nur wer alt wird, erhält eine vollständige und angemessene Vorstellung vom Leben.»
Arthur Schopenhauer

Dienstag, 29. Januar 2008

Stumm

«Auf dem Gang läuft wieder eine Frau, die namenlose mit den Plastiktüten, diesmal in umgekehrter Richtung. Solange es irgendwie vorwärts geht, denkt Haller, haben die Alten es eilig. Sie könnten etwas verpassen, das Abendessen, die Fusspflege, den Zahnarzttermin. Tatsächlich erreiht man vieles nur noch mit knapper Not und wie ausnahmsweise. Man wundert sich, dass es einem gelingt, den Telefonhörer abzuheben, bevor der Telefonierende wieder aufgehängt hat. Man wundert sich, denkt Haller und dann sagt er es auch: Man wundert sich, dass es überhaupt jemandem gelingt, eine Telefonnummer richtig zu wählen, einen Knoten im Schuhband zu lösen, eine Batterie auszuwechseln. Man weiss im Voraus, man spürt im Voraus, sagt er und spürt es auch schon, wie es sein wird, wenn die Zahnbürste sich eines Morgens im Mund nicht mehr auskennt. Sie fährt hinein, als wär's der Mund von gestern, vorgestern, doch es ist ein anderer, ein engerer, fast der eines Kindes mit unzähligen kleinen Zähnen. Dieser engere Mund ist stumm.»

Aus: Schubiger, Jürg, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S: 36f

Sonntag, 27. Januar 2008

Ertragen

«Alt werden heisst, sich selbst ertragen lernen.»
Hans Kudszus

Mittwoch, 23. Januar 2008

Sehen

«Alt werden heisst sehend werden.»
Marie von Ebner-Eschenbach

Dienstag, 22. Januar 2008

Tief und schön

«Weisst du, wie lange ich nicht mehr Auto fahre, Helen?, fragt er.

Sieben Jahre.

Richtig. Woher weisst du das?

Du fragst mich jeden Tag. Und jeden Tag sage ich: Sieben Jahre.

Bald sind es acht, präzisiert Haller. Er spürt das Vergehen der Zeit. Er braucht bloss darauf zu achten. Etwas rieselt aus ihm heraus und unter ihm weg. Die Schwäche, die zurückbleibt, ist tief und schön. Das Bild der Sanduhr: Oben ein Tal, unten ein Berg. Also, schliesst Haller, gibt es einen Ort, wo alles Zerrinnende hinrinnt.»

Jürg Schubiger, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 128

Mitgespielt

«Man hat so lange gerlernt und ist noch immer kein Virtuose. Zeitweise war man der erste Geiger des Orchesters, dann der zweite, dann irgendeiner, der nicht sicher ist, ob er noch mitspielt.»
Jürg Schubiger, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 122

Der Gedanke daran ...

«Nichts macht schneller alt als der immer vorschwebende Gedanke, dass man älter wird.»
Lichtenberg, Nachtrag zu den Nachrichten und Bemerkungen über sich selbst

Montag, 21. Januar 2008

Gut untergebracht

«Scheissdreck, ruft Helen laut. Das Wort füllt gleich die ganze Cafeteria aus. Haller holt erschrocken Luft, um zu lachen. Er hat keine Ahnung, was in ihrem Kopf passiert. Helen hat Ideen, die sie stechen wie Hexensschüsse. Haller fragt sich, ob er etwas unternehmen soll. Wenn er sie anfasst, wird die ruhig, wenn er sie nicht anfasst, vermutlich auch. Er beugt sich über den Tisch vor: Ich will dir mal was sagen, Helen Roux. Nach dieser Ankündigung gerät er in eine Lücke. Dann fährt er fort: Wir können uns nicht beklagen. Wir haben alles was wir brauchen, Helen. Und ausserdem ein hochwertiges personal. Wir haben Glück gehabt. Wir haben es immer noch. Wir sind unansehnlich, das schon, und ungeschickt und ungeduldig, aber gut untergebracht.»

Aus: Schubiger, Jürg, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 49

Samstag, 19. Januar 2008

Das Alter gibt nichts zurück

«Oft heisst es, an Demenz erkrankte Menschen seien wie kleine Kinder - kaum ein Text zum Thema, der auf diese Metapher verzichtet; und das ist ärgerlich. Denn man kann sich unmöglich zu einem Kind zurückentwickeln, da es zum Wesen des Kindes gehört, dass es sich nach vorn entwickelt. Kinder erwerben Fähigkeiten, Demenzkranke verlieren Fähigkeiten. Der Umgang mit Kindern schärft den Blick für Fortschritte, der Umgang mit Demenzkranken den Blick für Verlust. Die Wahrheit ist, das Alter gibt nichts zurück, es ist eine Rutschbahn, und die grösste Sorge, die es einem machen kann, ist die, dass es zu lange dauert.»
aus Arno Geiger, Der alte König in seinem Exil, NZZ am Sonntag, 25.11.2007, S. 95

Sonntag, 13. Januar 2008

Wir sind vom Leben gerupft

Haller steht mit einem Tablett vor dem Tisch, auf dem Helens Hände liegen. Er schiebt das Tablett an den Händen vorbei und verteilt, behutsam und fast ohne zu zittern, das Hergebrachte. Helen bekommt eine Tasse Kaffee, einen Kaffeelöffel, zwei Becherchen Sahne und eine Tüte Zucker, er selber nur eine Tasse Kaffee. Das Tabett ist leer. Haller weiss nicht recht, wohin damit, stellt es schliesslich, an ein Tischbein gelehnt, zu Boden. Er richtet sich auf und holt Luft. Helen schaut mit schrägem Kopf einäugig zu ihm empor.

Haller ist wie von einem kleinen Donner gerührt. Wir sind hässlch, sagt er. Zwei gerupfte Hühner. Wir sind vom Leben gerupft. Er setzt sich. Wir sollten uns schämen, Helen, weiss Gott, und wir tun es auch. Wir möchten gern schön sein. Einen grösseren Wunsch haben wir nicht.

Helens Hände sind in Bewegung. Sie öffen die Becherchen und die Tüte und treffen mit Zucker und Sahne den richtigen Ort.

Hallers Hände kommen leicht ins Zittern. Eine kleine Anspannung genügt. Sie lassen ihn oft nicht einmal mehr seinen Namen schreiben. Wenn er sie zu beherrschen sucht, widersetzen sie sich. Hallers Mutter würde sagen, "sie machen Tänze". Dann und wann schlagen sie aus wie Pferde, stossen dabei ein Glas um, oder, wie kürzlich, drei Gläser aufs Mal. Haller hat beruhigende Tabletten, die er notfalls auch einnimmt. Was die Tabletten nicht beseitigen, ist ein fremdes Gefühl, das unvermutet auftreten kann, wenn er eine Gabel ergreift, einen Wassehahn dreht, ein Zeitungsblatt wendet, das auftritt und wieder vergeht oder nicht vergeht, als hätte er mehr als zehn Finger, mindestens zwölf, und die kämen sich in die Quere. Haller gibt zu, dass er von seinen Händen enttäuscht ist.

Aus: Jürg Schubiger, Haller und Helen (Roman), Insbruck 2002, S. 28f

Freitag, 4. Januar 2008

Demenz:
«Die Person sickert Tropfen für Tropfen
aus der Person heraus.»

«Und ich habe auch gelernt, dass man für das Leben eines von Demenz betroffenen Menschen neue Massstäbe braucht. Wenn mein Vater sich bedanken möchte, soll er sich bedanken, auch ohne nachvollziebaren Anlass; und wenn er sich darüber beklagen will, dass ihn alle Welt im Stich lässt, soll er sich beklagen, egal, ob dieser Eindruck in der Welt der Fakten standhalten kann oder nicht. Für Ihn als Betroffenen gibt es keine Welt ausserhalb der Demenz. Und als Angehöriger kann man nur versuchen, die dort herrschende Verstörung emotional aufzufangen, die Bitterkeit des Ganzen ein wenig zu lindern, indem man die durcheinandergeratene Wirklichkeit des Kranken gelten lässt. Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann. muss ich zu ihm. Dort drügen, jenseits unserer auf Sachlichkeit ausgelegten Gesellschaft ist er ein beachtlicher Mensch, und wenn auch nach allgemeinen Massstäben nicht immer ganz vernünftig, so doch irgendwie brilliant.»
Arno Geiger, Der alte König in seinem Exil, NZZ am Sonntag, 25.11.2007

«Das Leben ist ohne Probleme auch nicht leichter.» - Ein Satz von Arno Geigers Vater.

Der Artikel kann im NZZ-Archiv gesucht und bezogen werden (kostenpflichtig).